Kurzgeschichten
Die Rettung der Kärntner Nudelminze

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Der Frühling spitzte über die stumpfen Zähne der Lienzer Dolomiten und kletterte hinunter ins Tal der Drau. Im Garten des Kräuterhotels Mandler in Irschen erwachten die Nudelminzen – das Würzgeheimnis von Kärntner Fleisch- und Käsenudeln – als erste aus ihrem Winterschlaf.

Sie reckten sich, durchdrangen mit ihren kräftigen Schlingarmen den feuchten Boden und schickten die ersten grünen Blättchen ans Licht, zu schauen, ob man dem Frühling schon trauen kann. Wie ein Lauffeuer funkte es durch die Erde:

"Ois kloar zum Auftauchn. Mir san die Ärschten. Vüll Platz noch, aber machts voran!"

"Mon dieu" gähnten die Marokkanischen Minzen, "immer diese Einheimischen; noch nie was von Toleranz und Mültikülti ge-ört?" Und sie nippten am Morgentau, damit ihre Stängel und Wurzeln zu wachsen und die ersten Blättchen zu sprießen egannen. "Tschi" nieste eine Nudelminze, "hoit de Luft oan, du Kaugummi-Gscherte, du Marokkanische. Warums eich do eipflanzt hom, mecht ich aa wissen, Tschi! Jetzt machts halt an Platz für die Apfelminze, die traut sich wieder net heraus.

"Va bene" säuselte die Apfelminze, "ikke binne schone da".

Sie wippte mit ihren grünen Petticoat, dass die Erdkrümel abfielen und drehte sich zur Sonne. "Oh sole mio" summte sie und blickte hinunter zur Drau, die vom Schmelzeis aufgeplustert gen Villach rauschte.

Die Pfefferminze fehlte noch. Die hat einen Trick. Während sich die anderen Minzen über der Erde am Frühling entzücken, ackert sie unter der Erde wie ein Maulwurf, um Land gut zu machen.

"Olala, isch spürre ein Würzel an mein Schenkel", kicherte die Marokkanische Minze. Aber wenn du glaubst, dass isch misch klein kriegen lass, Mon amie, dann -ast du die Evolution nischt verrstanden." Aber die vorsorgende Pfefferminze, die ja weiß, dass sie für den Tee am meisten Blättchen lassen muss, kroch weiter und zwängte ihre Arme wie eine Krake in alle Richtungen. Erst als sie ein akzeptables Terrain eingenommen hatte, schickte sie runde violette Blättchen nach oben, die nun überall zwischen den anderen Minzen auftauchten wie losgelassene Bojen.

"Man darf euch doch nicht aus den Augen verlieren". Die Mandler-Mutter wiegte lächelnd den Kopf. Ihre zerfurchten Hände durchkämmten die grünen und violetten Blätter, als wolle sie die Minzen ordnen. "So eng aufeinander", meinte sie, "kann das nicht gut gehen. Die vermischen sich wieder und am Ende schmecken dann alle gleich. Ich pflanz euch jetzt auseinander".

Inzwischen strahlte die Sommersonne und die hochgewachsenen Minzen konnten sich im Kräutergarten umschauen. "Caro mio, du hast schöne Blüten, einfach belissimo", bewunderte die Apfelminze die Nudelminze. Die Nudelminze neigte ihre Blütenkerze zur Apfelminze. "Geh schau, du host ober vüll scheenere Blatteln", erwiderte sie das Kompliment, "mmh – wie Samt. Und du riarchst wie a wunderboars Dessert".

"Aah...quel charmeur", kicherte die Marokkanische Minze und winkte neckisch hinter einer Biene her. "-ast du misch nischt gesehen, du kleine Brümmarsch?" Doch das Bienchen flog erst einmal zur Pfefferminze und wischte beim Naschen an der Blüte mit ihrem Popo über die Pollen. Dann flog sie zur Marokkanischen Minze. "Merde" fluchte die und "-au ab, du falscher Lüder, isch will nischt –aben diese extraordinäre Tee-Parfum in mein Gene". Doch die Biene scherte das nicht und sie verteilte mit ihrem Popo die Pfefferminzepollen über die Blüten der Marokkanischen Minze. Die dufteten so verführerisch nach Kaugummi, dass sich nun alle Bienen darauf stürzten. "Vergewaltigung" stöhnte die Marokkanische Minze noch.

Oh Mandler-Mutter, hättest Du die Minzen nur vor der Blüte geerntet, wie es in den Büchern steht.

Bei den Minzen herrschte große Aufregung. "Wer moog uns denn noch, wamma olle gleich schmecka" übertönte die Nudelminze das Jammern. "Attenzione", meldet sich die Apfelminze zu Wort. "Maccen wir uno trucco, äh Trick" und dann palaverte sie mit "basta","agressione" und "bandito" wie ein Schießgewehr in Italienisch los, dass nichts mehr zu verstehen war. Die Pfefferminze übersetzte: "Sie meint, wenn immer nur eine Sorte von uns blüht, dann könnten die Bienen ihre Arbeit tun, ohne dass wir uns vermischen. Ich probiers mal." Sie kniff mit Macht ihre Blüten zusammen.

"Isch kann es auch" ächzte die marokkanische Minze, "man müss der Lüft an-alten!" Nun versuchten es auch die Apfelminzen. Und wie von Geisterhand schlossen sich alle Minzeblüten bis auf die der Nudelminzen. Die Bienen bremsten irritiert vor den verschlossenen Blüten. Aber es gab ja genug Nektar bei der Kärntner Nudelminze. Und so geschah es im Laufe der nächsten Tage nach und nach mit allen Minzesorten.

Beim Ernten und Trocknen wunderte sich die Mandler-Mutter schon, dass jede Minze in diesem Jahr ihr ganz besonderes Aroma entwickelten. Von dem kleinen Trick der Minzen hatte sie natürlich nichts gemerkt.

Als sie am Heiligen Abend die Füllung der Kasnudeln probierte, schnalzte sie mit der Zunge und rief: "Dös schmeckt wieder wie bei meim Muatterl in der Kuchel". Im Kräuterregal hörte man es leise Wispern. "Gut, dass uns der Trick rechtzeitig eingefallen ist, sonst gäbe es hier nur noch eine Minzedose." Die Mandler-Mutter strahlte stolz, als die Gäste das feine Aroma ihrer Kasnudeln lobten, "ja, unsere Kärnter Minzen sind schon etwas ganz Besonderes." Und die Kräuterdosen wackelten bedenklich, als die Minzen sich heimlich selbst applaudierten.

© Fischer + Siegmund 2004


Rezept für Kasnudeln

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Letzte Aktualisierung 12.01.2023

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